8.4.05

"Der Paganini der Abschweifung"

Aus einem ZEIT-Interview mit Harry Rowohlt zum Anlass seines 60.Geburtstags.

ZEIT: In einem Ihrer Briefe, die jetzt zum Geburtstag als Buch erscheinen, ist mal von Daniil Charms die Rede. Ist der lustig? Mögen Sie den?

Rowohlt: Eigentlich nicht so übermäßig, nö. Ich hab mal meinem Freund Cik erzählt, wie ich im Jahre 1972 von einem Zuhälter, der mich fast mit seinem roten Lamborghini überfahren hätte, eine reingefenstert gekriegt habe. Dann bin ich aufgewacht, so richtig mit einem Blutfaden aus dem Mund im schmutzigen Schnee, und alle Zähne wackelten, und ich hatte furchtbaren Hunger, bin in eine Kneipe gegangen und hab gefragt, ob sie vielleicht ein Süppchen hätten, ich könnte nicht so richtig beißen. Da sagten die: »Nur Knackwurst.« Darauf ich: »Neee, das ist zu hart.« Und schon wieder hatte ich einen inner Fresse. Da hat mein Freund Cik gesagt: »Ne Stimmung wie bei Charms.«

...
ZEIT: Und was ist mit dem Trinken?

Rowohlt:
Als Übersetzer trinke ich ungeheure Mengen Tees. Sonst nichts, sonst würde ich ja die Tasten nicht finden, ich vertipp mich ja so schon oft genug. Und bei Lesungen, wenn Sie mal drauf achten, trinke ich erst lange nach der Pause den ersten Schnaps. Ich versuche das immer so zu timen, dass ich pünktlich zehn Minuten nach der Lesung knülle bin. Es gibt ja viele Kollegen, die erscheinen da bereits knülle wie 'n Schützenkönig, das ist Beschiss am Publikum. Das Publikum hat ein Anrecht darauf mitzuerleben, wie der Referent sich zugrunde richtet.


Herzlichen Glückwunsch.


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Paganini der Abschweifung